Abmahnungen wegen Schutzrechtsverletzungen oder Wettbewerbsverstössen sind umsatzsteuerpflichtig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stelle die Abmahnung eine umsatzsteuerbare Leistung dar. Bei Rechnungsstellung durch die Klägerin sei dieser Umsatz-steuerbetrag nach § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG auszuweisen. Die Klägerin habe als Steuerschuldnerin gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG die Umsatzsteuer, die auf die vom abgemahnten Beklagten zu leistende Kostenerstattung entfalle, an das Finanzamt abzuführen. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung griffen nicht ein. Der Klägerin stehe zwar im Hinblick auf die in der Rechnung ihrer mit der Abmahnung beauftragten Rechtsanwaltskanzlei ausgewiesene Umsatzsteuer ein Vorsteuerabzug zu. Das ändere aber nichts daran, dass sie verpflichtet sei, die aus dem Abmahnkostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten an-fallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen.
BGH HINWEIS-BESCHLUSS I ZR 87/20 vom 21. Januar 2021 – Abmahnungen sind umsatzsteuerpflichtig
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2021 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Prof. Dr. Schaffert, die Richterinnen Dr. Schwonke und Dr. Schmaltz und den Richter Odörfer
einstimmig beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision des Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. Mai 2020 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe:
I. Die Klägerin ist auf die Abdichtung von Flachdächern und die Ausführung von Dachbegrünungen spezialisiert. Sie bewirbt ihre Leistungen im Internet unter www.i .org und firmiert jedenfalls seit 1986 unter I. GmbH. Der Beklagte ist Inhaber der Domain „is .de“, die serverseitig auf die URL www. weitergeleitet wird. Dort bewirbt er die von seinem Unter- nehmen, der P. GmbH, angebotenen Isolierbaustoffe. Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Kennzeichen- und Namensrechte.
Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung beantragt, einen Domainverzichtsanspruch geltend gemacht und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.752,90 € nebst Umsatzsteuer in Höhe von 333,05 € verlangt.
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Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme der auf die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten anfallenden Umsatzsteuer stattgegeben. Das Beru-fungsgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren relevant – auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts abgeändert und die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten einschließlich der Umsatzsteuer zugesprochen.
Das Berufungsgericht hat die Revision beschränkt auf den Abmahnkosten-erstattungsanspruch zugelassen. In den Gründen hat es dazu ausgeführt, die Revision sei auf die mit der Berufung der Klägerin angefochtene Abweisung des im Kostenerstattungsanspruch enthaltenen Umsatzsteuerbetrags wegen grund-sätzlicher Bedeutung zuzulassen.
II. Das Berufungsgericht hat angenommen, der dem Grunde nach geschul-dete Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten umfasse auch den Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 333,05 €. Nach der Recht-sprechung des Bundesfinanzhofs stelle die Abmahnung eine umsatzsteuerbare Leistung dar. Bei Rechnungsstellung durch die Klägerin sei dieser Umsatz-steuerbetrag nach § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG auszuweisen. Die Klägerin habe als Steuerschuldnerin gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG die Umsatzsteuer, die auf die vom abgemahnten Beklagten zu leistende Kostenerstattung entfalle, an das Finanzamt abzuführen. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung griffen nicht ein. Der Klägerin stehe zwar im Hinblick auf die in der Rechnung ihrer mit der Abmahnung beauftragten Rechtsanwaltskanzlei ausgewiesene Umsatzsteuer ein Vorsteuerabzug zu. Das ändere aber nichts daran, dass sie verpflichtet sei, die aus dem Abmahnkostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten an-fallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen.
III. Der Senat beabsichtigt, die beschränkt zugelassene Revision des Be-klagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuwei-sen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen (dazu III 1) und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (dazu III 2).
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1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzli-cher Bedeutung liegen nicht vor.
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine ent-scheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage auf-wirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswe-gen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandes-gerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unter-schiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 – II ZR 156/09, NJW-RR 2010, 978 Rn. 3 mwN; vgl. auch BVerfGK 11, 420, 431 [juris Rn. 59] mwN).
b) Danach liegt hier keine klärungsbedürftige Rechtsfrage vor. Die Beant-wortung der vom Berufungsgericht als Grund für die Revisionszulassung ange-führte Frage der Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer für Abmahnungen ist nicht zweifelhaft.
aa) Nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen zur Durchset-zung eines Unterlassungsanspruch geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizie-ren (vgl. BFH, GRUR 2003, 718; GRUR 2017, 826; GRUR 2019, 825; die gegen die letzte Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesver-fassungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2019 – 1 BvR 1327/19 – nicht
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zur Entscheidung angenommen). Diese Rechtsprechung, die sich konkret nur auf das Wettbewerbs- und das Urheberrecht bezieht, ist auf den gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes auszudehnen und findet insbesondere auch im Kennzeichenrecht Anwendung (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Born-kamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 13 Rn. 136a; Omsels, jurisPR-WettbR 6/2017 Anm. 1; Pustovalov/Johnen, WRP 2019, 848 Rn. 47; Voges, GRUR-Prax 2020, 254).
bb) Die Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer im Rahmen des Anspruchs auf Ersatz der Abmahnkosten als Folge dieser Rechtsprechung des Bundesfi-nanzhofs ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht umstritten. Das Beru-fungsgericht zitiert keine abweichende obergerichtliche Rechtsprechung, son-dern lediglich zwei zustimmende landgerichtliche Entscheidungen. Das Oberlan-desgericht Düsseldorf geht in einem Urteil vom 23. Januar 2020 (2 U 13/19, juris Rn. 96 f.), ohne dass dies allerdings entscheidungserheblich gewesen wäre, ebenfalls davon aus, dass zu Lasten des Abmahnenden die gesetzliche Umsatz-steuer anfällt, die er als Teil seines Schadens an den Verletzer weiterreichen, das heißt in seine Erstattungsforderung einbeziehen kann.
cc) In der Literatur ist die Frage – soweit ersichtlich – ebenfalls nicht umstrit-ten. Auch wenn die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs teilweise auf Kritik gestoßen ist (vgl. Klute, NJW 2017, 1648, 1649 f.; BeckOK.UWG/Tavanti/Scholz, 10. Edition [Stand 15. Mai 2020], § 12 Rn. 136), wird übereinstimmend davon ausgegangen, dass als Folge dieser Rechtsprechung künftig zwei Rechnungen geschrieben werden müssen: Die Rechtsanwältin, die den Rechtsverletzer im Auftrag des Rechtsinhabers abgemahnt hat, rechnet in eigenem Namen gegen-über dem Rechtsinhaber ab. Dieser rechnet sodann über seine eigene Leistung („Vermeidung eines Gerichtsverfahrens“) gegenüber dem Abgemahnten ab. Die Rechnung weist dabei regelmäßig den Nettobetrag der anwaltlichen Rechnung
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zuzüglich Umsatzsteuer aus. Die in der Rechnung an den Abgemahnten ausge-wiesene Umsatzsteuer muss der Rechtsinhaber an das Finanzamt abführen; er kann aber die in der Rechnung seiner Bevollmächtigten enthaltene Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen (vgl. Bacher in Teplitzky, Wett-bewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 41 Rn. 96b; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 595; Klute, NJW 2017, 1648, 1649 f.; Pörksen, jurisPR-ITR 13/2017 Anm. 5; Weymüller, jurisPR-SteuerR 30/2019 Anm. 5; Pustovalov/Johnen, WRP 2019, 848 Rn. 62; Voges, GRUR-Prax 2020, 254, 255; vgl. auch J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl., § 97a Rn. 41a).
dd) Vor diesem Hintergrund ist das Berufungsgericht zutreffend davon aus-gegangen, dass die – höchstrichterlich ebenfalls geklärten – Voraussetzungen ei-ner Vorteilsausgleichung aus dem Schadensersatzrecht nicht erfüllt sind.
(1) Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädig-ten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Es soll ein gerech-ter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf einerseits im Hinblick auf das scha-densersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch an-zurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht un-angemessen entlastet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 65 mwN).
(2) Diese Grundsätze finden unmittelbar zwar nur im Schadensersatzrecht Anwendung. Der Rechtsgedanke der Vorteilsausgleichung muss jedoch auch im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag berücksichtigt werden. So wie der
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Geschädigte durch eine Schadensersatzleistung nicht bessergestellt werden soll, als wenn das zum Ersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre, so soll auch derjenige, der nach § 683 Satz 1, §§ 670, 677 BGB als Geschäftsführer ohne Auftrag Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen verlangen kann, durch den Aufwendungsersatz keinen Vorteil erlangen (zum Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2012 – V ZR 136/11, NJW 2012, 1080 Rn. 11).
(3) Die Voraussetzungen einer Vorteilsausgleichung liegen im Streitfall nicht vor. Insbesondere wird die Klägerin nicht bessergestellt, wenn der Beklagte ihr die Umsatzsteuer zu erstatten hat. Die Klägerin ist zwar vorsteuerabzugsberech-tigt. Das führt aber lediglich dazu, dass sie die an ihre anwaltlichen Bevollmäch-tigten gezahlte Umsatzsteuer im Rahmen des Vorsteuerabzugs gegenüber dem Finanzamt geltend machen kann. Die vom Beklagten an sie zu zahlende Um-satzsteuer muss die Klägerin dagegen an das Finanzamt abführen, so dass sie insoweit keinen Vorteil hat, insbesondere die Umsatzsteuer nicht zweimal zu-rückerstattet bekommt. Ist der Beklagte ebenfalls vorsteuerabzugsberechtigt, kann er die von ihm – aufgrund einer die Umsatzsteuer ausweisenden Rechnung – an die Klägerin gezahlte Umsatzsteuer im Rahmen des Vorsteuerabzugs ge-genüber dem Finanzamt ebenfalls geltend machen. Es sind mithin zwei steuer-bare Leistungen zu unterscheiden: „Anwalt – Klägerin/Rechtsinhaber“ einerseits und „Klägerin/Rechtsinhaber – Beklagter/Abgemahnter“ andererseits.
Der Fall der Abmahnkostenerstattung unterscheidet sich insoweit vom typi-schen schadensersatzrechtlichen Fall der Beschädigung einer Sache, für deren Reparatur dem Geschädigten eine Rechnung inklusive Umsatzsteuer gestellt wird. Ist der Geschädigte in einem derartigen Fall vorsteuerabzugsberechtigt, kann er vom Schädiger nur den Nettobetrag verlangen, weil ihm das Finanzamt die gezahlte Umsatzsteuer erstattet.
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2. Nach dem Vorstehenden hat die Revision keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das landgerichtliche Urteil mit Recht abgeändert und die Umsatzsteuer im Rahmen des Abmahnkostenerstat-tungsanspruchs zugesprochen.